Es wird in der SM-Szene sehr viel über Vertrauen gesprochen,
nie konkret, aber immerhin ist klar, dass es gerade bei unserer
Form der Sexualität nicht ohne gesunde Portion Vertrauen
zum Partner geht. Wer einmal gefesselt ist, wird wohl vertrauen
müssen, was anderes bleibt ihm nicht wirklich übrig
:-/ Als zusätzliche Sicherheit wurden Systeme wie safe -
sane - consensual, sicher - vernünftig - im Einvernehmen
konstruiert, es wurde das Safewort eingeführt.
Aber was ist es nun, dieses Vertrauen? Was ist die Basis
des Vertrauens? Was ist nötig damit Vertrauen entsteht?
Die wichtigste Frage, die sich in dem Zusammenhang stellt und die leider sehr viele
vermeiden:
Wer ist der Mensch, mit dem ich es da zu tun habe?
Viele gehen davon aus, dass jemand, der in Internet-Channels, auf Listen oder Newsgroups
auf Stammtischen, Vereinen oder Partys nur lange genug herumhängt, ist damit generell
bekannt und automatisch vertrauenswürdig. Die SM-Gemeinde ist mittlerweile so groß,
dass es leicht ist, sich irgendwo anzuhängen und dabei zu sein ohne jemals
etwas von seiner eigenen Person zu zeigen. Eine Zeit lang gab es auch einen Typen, der
sich auf mich berufen hat, behauptet hat, näher mit mir bekannt zu sein, wir
stünden im laufenden telefonischen Kontakt usw. Bis zu dem Zeitpunkt, wo ich mit
der Aussage konfrontiert wurde, hatte ich null Ahnung, dass dieser Mensch überhaupt
existiert, von kennen kann absolut keine Rede sein. Solche Leichtgläubigkeit kann
und ist schon gewaltig in die sprichwörtlichen Hosen gegangen.
SM'ler die bereits mit anderen gespielt haben, haben sicher kein Problem damit, wenn ihre
Reputation überprüft wird, viele erwarten das sogar.
Ich persönlich würde es einmal als Alarmzeichen sehen, wenn jemand damit
angibt, wen er nicht aller kennt. Sich im Licht der anderen zu sonnen ist
ein bewährtes Mittel um davon abzulenken, dass es mit dem eigenen Licht nicht so
weit her ist.
Ich war lange genug selber chat-süchtig um die verliebe-dich-Aktionen
per Chat, E-Mail usw. zu kennen. Ich habe das gleich mit 3 Leuten gleichzeitig geschafft,
wobei nur 2 davon Männer waren ;-) Das große Glück, das ich dabei hatte,
einer davon war in England, eine in Kanada und einer an der Westküste der USA.
Damit war es für mich persönlich sehr viel leichter, das Ganze doch aus sehr
viel mehr Distanz zu sehen und die Hormone dort zu belassen wo sie hingehören. Es
war für mich immer klar, dass es sich um eine pure Hirnwichserei handelt, die mit
der Realität nichts zu tun hat. Viele die sich in deutschsprachige Kanäle
hängen, wollen anfangs auch nicht mehr, aber die Spekulation mit der
Realität lässt sie dann leichter unvorsichtig werden. Manche wählen ganz
gezielt diesen Weg um einen Partner für das reale Leben zu finden.
Was bedeutet Vertrauen?
Für mich heißt das, dass ich nicht belogen werde, dass ich mich auf jemanden
verlassen kann, dass sein Verhalten kalkulierbar ist, vorhersehbar ist und mehrmals
ähnlich oder gleich bestätigt wird. Es bedeutet nicht für mich, dass ich
jemandem bedingungslos und immer blind vertrauen kann, ich kenne schließlich auch
meine eigenen Schwächen, die sind bei anderen sicher auch nicht wesentlich anders.
Jeder Mensch ist eben Mensch und hat so seine Stärken und Schwächen und
vertauen kann ich erst dann jemandem, wenn ich möglichst viele Fasetten der Persönlichkeit
kenne, die sich über einen gewissen Zeitraum nicht verändern und ich mit
beidem gut leben kann, sowohl den Stärken als auch den Schwächen.
All das lässt sich aber via Internet wohl kaum bewerkstelligen! Wer glaubt, dass
er über einige heiße Chats, E-Mails und Telefongespräche jemanden wirklich
einigermaßen gut kennt, verarscht sich hoffentlich selbst damit und nimmt sich
nicht so ernst.
Ich würde mal sagen, wenn sich zwei Menschen über einen Zeitraum von ca. 3 Monaten
kennen, sich sehr häufig gesehen haben, ihren beruflichen Kummer kennen, eventuell
Einblick in die familiären Verhältnisse haben, im Kino, im Schwimmbad, beim Essen,
beim Sport, beim Sex, bei Einstiegs-Sessions usw. gemeinsam Sinn und Unsinn getrieben hat,
gemeinsam gelacht und geweint haben und damit die rosarote Brille durch die Klarsichtbrille
ersetzt haben, haben eine gute Chance den Partner so gut zu kennen, dass er davon ausgehen
kann zu wissen, wo und wie er dem Partner vertrauen kann und wo nicht. In diesem Zeitraum
hat man doch gemerkt, wo der Partner verantwortungsbewusst agiert, aber auch, wo er eventuell
gedankenlos und blauäugig ist. Erst dann ist es, meiner Meinung nach, angebracht von
Vertrauen zu sprechen. Alles was davor ist mag zwar sehr erotisch sein, hat aber mit der
realen Person herzlich wenig zu tun.
In jeder ganz normalen Beziehung, die mit BDSM nichts zu tun hat lernen sich Menschen
langsam kennen. Dazu gehört die Aufnahme eines neuen Mitarbeiters in einer Firma
genau so wie in einem Verein oder einer Lebensgemeinschaft. In Firmen und vielen anderen
Organisationen hat sich eine Probezeit von 3 Monaten etabliert. SM'ler sind keine
Übermenschen. Sie schaffen es auch nicht schneller einen Partner kennen zu lernen,
zumindest ist mir da nichts anderes bekannt.
Darum können Tops, die sich gerne selber Trainer, Meister usw. nennen und für
ihre Ausbildung großzügig ein vertrauensbildendes Gespräch
anbieten nur im Bereich der Unbedarftheit angesiedelt werden, es dürfte tatsächlich
der Wunsch der Vater des Gedanken sein, nicht die Praxis.
Leider gibt es aber auch gerade sehr viele Frauen, die der Meinung sind, sie hätten
genug Erfahrung, Gefühl, Intuition um in kürzester Zeit einen Menschen
womöglich sogar über einige wenige Zeilen via Internet zu kennen.
Erfahrungen auf die man sich beziehen kann sind jene, die man bereits gemacht hat. Diese
beinhalten nicht all jene Erfahrungen, die sie noch nicht gemacht haben. Die Wahrscheinlichkeit,
dass die Damen im Internet noch sehr viele Erfahrungen vor sich haben, von denen sie bisher
noch gar nicht wissen, dass es sie gibt ist doch sehr hoch. Ich hänge so ziemlich seit
Anbeginn des Internets darin herum und ich lerne täglich Neues.
Gefühle sind trügerisch, mein Gefühl sagt mir, die Enttäuschungen,
die man mit Menschen erlebt die man im Internet kennen lernt unterscheiden sich nicht
wesentlich von den enttäuschten Gefühlen derer, die man im
normalen Leben kennen lernt. Warum soll es da auch anders sein?
Und, Intuition ist was feines, aber in einem Medium das wie kein anderes dazu geeignet
ist nur die Informationen weiter zu geben, die man gerade geben möchte, weil eben
die Möglichkeiten der Körpersprache und vieler anderer Signale die im
non-verbalen Bereich zu finden sind nicht transportiert werden, da hilft die Intuition
der gesamten Welt nichts. Wenn an den Tasten eine Gruppe von Frauen sitzt, die jetzt
mal als Mann einsteigt um Frauen anzumachen, sorry Ladys, ihr werdet es mit all eurer
Intuition nicht erkennen.
Darum, Vertrauen entsteht mit der Zeit und die Zeit muss sich jeder gönnen
für seine eigene Sicherheit und für eine gesunde befriedigende Sexualität.