Inneres Outing
Persönliches
Inneres Outing
Einige Menschen stolpern eher zufällig in das Thema Sadomasochismus rein, sie
lernen Menschen im Internet oder im täglichen Leben kennen, stoßen auf das
Thema, probieren es aus und: Bingo! Einige erleben hinterher noch kleine oder
große emotionale Abstürze - Probleme mit sich selbst, den Gefühlen, dem
Erlebten usw. die den inneren Outing-Wehen nicht unähnlich sind. Aber
einige ersparen sich auch das.
Es gibt Menschen, die spüren sehr früh, bereits als Kind, spätestens als
Jugendlicher, dass sie anders sind als die Anderen. Sie erleben und empfinden vieles
anders und wenn sie über ihre Phantasien sprechen ernten sie ungläubiges
Staunen und Unverständnis.
Es kommt zum Rückzug in sich selbst, Selbstzweifel, "Ich bin krank!" -
Vermutungen, (verzweifelte) Suche nach dem Sinn und dem richtigen Weg; Versuche
normal zu sein, normal sein zu definieren usw.
Andere wieder empfinden ihre Sexualität als ganz normal und wundern sich erst
später, dass andere das nicht ganz so sehen.
Einige entdecken ihre Leidenschaft für die etwas andere Art der Sexualität erst
viel später was es auch nicht unbedingt einfacher macht.
Trifft so ein Mensch auf einen (Gegen-) Gleichgesinnten oder eine Gruppe, sodass er/sie
einmal darüber sprechen kann, lernt er leichter damit umzugehen. Es hilft ganz
einfach, wenn man erst einmal sieht, dass man mit diesen Gefühlen, Wünschen
und Träumen nicht alleine ist. Ähnlich funktioniert es auch, wenn man auf die
richtige sachliche Literatur stößt.
In Zeiten von Internet, vielen offenen SM-Gruppen, SM-Listen, NewsGroups, SM-Cafes und
einer immer stärker werdenden Bereitschaft der Gesellschaft SM zu akzeptieren, ist
es doch in den letzten Jahren leichter geworden Antworten auf seine Fragen zu erhalten
und mit sich ins Reine zu kommen.
Die, die den Weg zum Hochglanz-SM-Magazin finden tun sich da schon um vieles schwerer. Sie
entwickeln häufig ein Bild, das von der Realität nicht erfüllt werden kann
und jeder spätere Kontakt zu realen SM'lern ist damit ziemlich sicher zum Scheitern
verurteilt. SM reduziert sich in diesen Fällen vorwiegend auf Bilder, Phantasie,
Selbstbefriedigung, autoerotische Spiele.
Persönliches
Um den schwierigen Weg einmal praktisch zu demonstrieren ... so, oder so
ähnlich war es wohl bei mir ;-)
Das Jungmädchengekichere was Jungs betraf war wohl nie so richtig das meine. Ich
hatte zwar immer Freundinnen, aber in der reinen Mädchenschule die ich ab dem 10.
Lebensjahr besuchen musste, habe ich mich nie wohl gefühlt. Ich habe mich eher als
Fremdkörper gesehen, einige Lehrer und Mitschüler haben das wohl auch so
empfunden. Ich war eben anders.
Da ich, wie ich Jahre festgestellt habe, nicht nur sexuell anders
bin, hatte ich damals keine Chance, den Finger darauf zu legen.
Ich war zwar ganz klar in gemischten Gruppen automatisch der Leader
of the Gang, aber mit der reinen Mädchen/Frauengruppe, dem
Frauenbild, das man versucht hat mir zu vermitteln, konnte ich
absolut nichts anfangen. Dieses anders sein wurde aber
von wissender Person über die Jahre beobachtet. Und,
bevor ich noch eine Chance oder die Lust hatte, mich ganz normal
wie andere junge Mädchen in dem Alter zu verlieben wurde
ich mit 15 in eine Richtung der Sexualität eingeweiht mit
der ich zwar teilweise recht gut zu recht kam, aber emotional
ganz sicher überfordert war. Siehe auch BDSM
und Jugend.
Es gab so ab 21 auch sehr lange Phasen wo ich gezielt Vanillasex gesucht habe,
um dieses perverse Zeugs los zu werden bzw. auch sehr lange Phasen wo ich bewusst meine
Sexualität komplett verleugnet hatte, wohl als eine Art heilfasten.
Es gab Zeiten, da hat mir vor mir selbst geekelt angesichts dessen, was ich mit Partnern
schon so angestellt hatte und was ich selbst miterlebt und gesehen hatte. Teilweise ging
das soweit, das ich dadurch schon gesundheitliche Probleme bekam, physisch und psychisch.
In den ausgehenden 70-ern und frühen 80-ern war Sexualität in aller Munde, der
multiple Orgasmus wurde thematisiert, der G-Punkt gefunden. Daher musste natürlich
ab sofort jede Frau die auf sich hält einen multiplen Orgasmus vorstöhnen und
ich weiß nicht wie viele Männer haben mit ihren ungewaschenen Fingern in der
Scheide ihrer Freundinnen herumfummelt um den G-Punkt zu finden. Bei den Hartnäckigen
hat Frau sicher nicht einmal den Treffer des G-Punktes vorgetäuscht um den
ungeschickten Dolm loszuwerden, bevor sie total wund war. Es war die Zeit von
Intimsprays und Intim-Lotionen (die, die Scheidenflora sehr vieler Frauen über sehr
lange Zeit zerstört haben und daher bei Gynäkologen sehr beliebt waren), damit
Frau bloß nicht nach Frau riecht, denn moderne Frau ist eben anders, sie ist erfolgreich,
stark, orgasmusfähig, möglichst multipel, hat ihren G-Punkt, schluckt die Pille
und fickt durch die Gegend um ihre Weiblichkeit bestätigt zu sehen, sie muss ja
begehrt sein, speziell bei den Bürokollegen. Ich möchte nur einen Schilling
für jeden Geschlechtsverkehr, der in dieser Zeit in den Firmen unter Kollegen abgegangen
ist ... da könnte ich wohl lebenslänglich von den Zinsen leben. Es war eben
die selige Vor-Aids-Zeit.
Aber, SM war kein Thema, das war perverses Zeugs, das man sich am Besten verdrängt,
sich ausredet, abgewöhnt oder was auch immer, weil es eben nicht gesund ist. Einige,
die sich dafür interessierten vermuteten, dass das eine Krankheit sei, die nur durch
langjährige tiefenpsychologische Therapie zu korrigieren wäre. Die Ursache
wären sicher frühkindliche Schockerlebnisse, Missbrauch usw. und käme
wohl nur bei z.B. Scheidungskindern oder sehr hoch gestellten Persönlichkeiten vor,
die dekadent genug wären, dass sie an ganz normalem Sex keine Lust mehr empfinden
könnten und ähnlicher Schwachsinn mehr.
Als Literatur gab es die "Geschichte der O" was ja nicht gerade als Sachliteratur
durchgeht. Der Klassiker: "Freude am Sex" von Alexander Comfort dessen Werk
"Joy of Sex" das erste Mal 1972 in den Staaten veröffentlicht wurde
bemerkt in der deutschen Übersetzung:
[Zitat] Masken: Sie erregen manche Leute. Wenn Ihnen das seltsam
erscheint, müssen Sie wissen, dass sie das älteste Hilfsmittel
sind, um mystische wie auch sexuelle Inspiration zu erlangen.
Sie verwandeln den Träger, machen ihn zu etwas Drohendem,
Fremdartigem, und sie verändern das Körperimage. Es
gibt aufblasbare Helme, die diese Veränderung noch verstärken.
Ich finde Sex ohne Sack über den Kopf besser.
Früher einmal waren Masken, wie Korsetts, allgemein in Mode.
Albern Sie nicht mit Plastiktüten herum - sie sind gefährlich,
weil sie das Atmen behindern. [Zitat Ende]
Dann sind noch einige Fetische Dokumentiert, wie Stiefel oder
Strümpfe, einige etwas herzhaftere Stellungen wie Serbischer
und Kroatischer Koitus mit der abschließenden Bemerkung
[Zitat] Der Stil ist leidenschaftlich und liebevoll, wie es
zu einem Volk von Bräute stehlenden Kriegern passt, deren
Frauen damals wie heute Partisanen waren: hart und zart. [Zitat
Ende]
Tja, das war es dann an Informationsmöglichkeiten.
Meine zaghaften Versuche über das Thema, meine Gefühle und Wünsche zu
sprechen scheiterten kläglich. Entweder wurde mir geraten zum Arzt zu gehen, (ob da
wohl Aspirin dagegen hilft?) mir gedroht: "Sag das ja niemandem, sonst sind wir als
Familie abgestempelt!" oder: "Lass doch den Quatsch. Wer hat dir denn das
wieder eingeredet?"
In den folgenden Jahren bin ich immer wieder auf Partner gestoßen, die mich
entweder von sich aus auf SM-Elemente angesprochen hatten, oder wo sich SM-Teile in
spielerischer Form eingeschlichen hatten. Manchmal versöhnte ich mich
mit meiner Leidenschaft, manchmal kam das: "Es reicht! Ich will den Scheiß
nie wieder!" Effekt wieder. Im Nachhinein gesehen kam dieser negativ Effekt immer
dann, wenn die Beziehung selbst destruktiv war. Es war nicht SM an sich, was nicht
funktionierte, sondern die Art, wie meine Partner versuchten emotionale und Ego-Defizite
durch SM zu überspielen, mich versuchten zu vereinnahmen, ich nicht verstand mich
gegen Energievampire zur Wehr zu setzen. Es passierte immer dann, wenn ein Partner versucht
hat mich durch seine Unterwerfung an sich zu binden, versuchte die Verantwortung
über sich auch außerhalb der Spielsituation auf mich zu übertragen.
Über die Jahre hat sich bei mir auch einiges an Spielzeug und erotischer Literatur
angesammelt. Irgendwann mal beschloss ich, dass ich das Zeugs alles nicht mehr haben
will, weil ich ein ganz normales Leben führen möchte und habe alles
verbrannt oder weggeworfen. Ein Vorgang, der mir von anderen SM'lern auch häufig
erzählt wurde. Einige sagen, dass ist eine Aktion die ein SM'ler liefert, bevor er
sein endgültiges inneres Coming Out hat. Nun, da widerspreche ich nicht.
1995 war dann die Zeit wo Microsoft mit MSN Chats auf einer graphischen Oberfläche
anbot und auch der Nicht-Internet-Guru leicht in Chats kam. Mein damaliger
Lebensgefährte hing da tagelang, nächtelang drin herum. Ich habe getobt:
"Da draußen scheint die Sonne! Da gibt es Menschen zum anfassen und reden!
Rede wenigstens mit mir!" Er meinte darauf: "Dich mache ich auch noch
süchtig, egal, was es mich kostet!" Dieser Nachsatz hat ihn sehr viel Geld
gekostet. Meine Spitzetelefonrechnung war über öS 11.000,00. Ich habe mich in
die amerikanischen Chats reingehängt. Erst mal waren es Vanilla-Chats,
dann habe ich sehr rasch in den Chamber-Chat gefunden. Dort traf ich auf sehr viele tolle
Menschen, intelligente Typen, die mir gezeigt haben, dass SM nichts mit abhängig
machen, abhängig sein zu tun hat, heiß ist und Spaß macht. Ich habe ein
Gespür bekommen, wie SM sein kann, ohne all die negativen Begleiterscheinungen, die
ich kannte, habe gelernt mich gegen das benützt werden zu
schützen und, ich habe sofort begonnen Menschen zu helfen, die dabei waren in die
gleichen Fallen zu laufen, die ich hinter mir hatte. Mit einigen anderen Frauen haben
wir die Möchtegern-Tops aufs Korn genommen, haben darum geknobelt, wer sie zerlegen
darf ;-) Es gab Diskussionen über Techniken, über Verhalten, Beziehungskisten
usw. Und, mein Englisch wurde immer besser, so gut, dass ich nicht mehr als Nicht-Amerikanerin
erkannt wurde ;-)
Das heißt, ich habe mich in vielen Gesprächen und auch sehr vielen Cyber-Sex-Chats
von meinen negativen Verbindungen zu SM freigespielt.
Das war dann der Zeitpunkt, wo ich begann mal nachzusehen, ob es auch
ähnliche Menschen in meiner realen Umgebung gibt. Da fand ich ein rotzfreches
Posting von einem Sadonis in einer NewsGroup. So wie er da schrieb ... der musste zumindest
mal eine Ahnung haben, wo ich solche Menschen finden kann. Ich bin nicht davon ausgegangen,
dass ich die auch in Wien finde, da waren meine persönlichen Erfahrungen doch
grundsätzlich andere, aber wer weiß?
Nun, heute weiß ich, es gibt sie, überall auf der Welt sobald man ein Forum
schafft, dass sie sich auch finden können und dazu ist das Internet hervorragend
geeignet. Und, die Strukturen waren in Wien auch da, es gibt sie auch heute noch und
sie werden laufend ausgebaut, unter anderem auch von mir damit es Suchende nicht ganz
so schwer haben wie ich es hatte.