Gehen wir einmal davon aus, dass sich zwei Menschen via Internet schon lange gut kennen,
viel telefoniert haben, das Gefühl der Vertrautheit vorhanden ist.
Es ist vieles an praktischer Organisation zu erledigen. Das emotionale Chaos, die
Schmetterlinge im Bauch, sollten kurzfristig in den Käfig gesperrt werden.
Hausverstand ist angesagt!
Häufig sind einige hundert Kilometer zwischen den Partnern, das heißt, entweder
man trifft sich in der Gegend eines der beiden oder irgendwo in der Mitte. Alles hat so
sein Vor- und Nachteile. Auf eines sollte aber auf jeden Fall geachtet werden:
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die Rückzugsmöglichkeit (möglichst ohne Gesichtsverlust).
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Gib dir selbst und deinem Partner die Chance im wahrsten Sinne des Wortes, des
gegenseitigen Beschnupperns. Das heißt, wenn möglich, 2 Hotelzimmer
reservieren, nicht eines und jeder bezahlt für sich selbst oder sprich dich mit
einem Freund in dieser Stadt ab um dich bei ihm zurück ziehen zu können.
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Dass jeder nur gecovert zu einem ersten Treffen geht, sollte mittlerweile selbstverständlich
sein. Ein Cover-Anruf hat nicht nur die Funktion der Sicherheit, sondern kann auch die
dringend erforderliche Möglichkeit bieten, sich aus der Affäre ziehen zu
können. Irgendwer in der Familie wird ja immer krank und man muss schnell wieder
zurück ;-)
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Speziell wenn man älter wird, werden die persönlichen Macken verstärkt und
man kommt über so manches nicht mehr drüber, man möchte sich das nicht antun.
Andererseits will man den Partner nicht vor den Kopf stoßen, weil es sich tatsächlich
um sehr persönliche Macken handelt, die für andere manchmal unverständlich
sind.
Es gibt einige Aspekte, die können auch in noch so vielen, noch so vertrauten
Gesprächen nicht geklärt werden. Da fällt z.B. körperliche Hygiene rein.
Es gibt nun mal Menschen, die verwenden für ihre Haare, das Gesicht, den Körper
und für die Füße jeweils ein extra Hand-, Badetuch usw.
Wenn dieser Mensch auf jemanden real trifft der mit ungeputzten Schuhen kommt, die Haare
nicht sauber geschnitten sind, die Fußnägel keine besondere Aufmerksamkeit
bekommen, Trauerränder die Fingernägel zieren und ansonsten eher Schmuddellook
angesagt ist, dann treffen da zwei Welten aufeinander. Möglicherweise werden da
unter Aufbringung der größt möglichen Toleranz einmal auch real gute
Freunde daraus, aber mehr wird da vermutlich nicht werden.
Beispiel aus der Praxis: eine Chat-Freundin von mir in Kanada hat sich via Internet
unsterblich in einen stolzen Löwen verliebt. Die beiden haben ca.
3 Monate in ihrer Cyberwelt verbracht. Sie war die Dompteuse, er der Löwe, der
durch ihre Feuerreifen sprang, der sie beschützt hat, ihr aber gehorchte. Es war,
wenn man die beiden beobachtet hat, die perfekte Harmonie. Sie haben viel telefoniert,
das Privatleben hat auch gepasst, also fuhr er zu ihr. Eigentlich war schon klar, dass
er wohl nicht mehr in seine alte Heimat zurück fahren würde.
Nun, wer schon mal seine Nase zum Löwenkäfig im Tiergarten gesteckt hat, die
Herren Löwen haben doch einen recht strengen Geruch, dieser auch. Um es kurz zu
machen, sie hat mir nach drei Tagen ein Mail geschickt mit ca. Inhalt: "Ich habe
ihn jetzt vor die Tür gesetzt. Wir haben uns gemeinsam einen Horrorfilm angesehen,
da hingen die Monster verkehrt rum an der Decke. Sie hatten alle schreckliche Zehen mit
fürchterliche Klauen dran. Aber, das schlimmste, die Füße des
Löwen haben noch schlimmer ausgesehen. Ich hab's nicht mehr ausgehalten!"
(Immerhin hat sie es 2 Tage mit einweichen in der Badewanne versucht.)
Ein weiteres Problem, wenn man sich schon sehr lange via Internet kennt, man entwickelt
eine gewisse Erwartungshaltung. Man macht sich auf Grund des Schreib-Stils, dem was man
aus den Texten herausliest, ein bestimmtes Bild von einem Menschen. Auch wenn bereits
Fotos ausgetauscht wurden, kann man sich noch lange den Traumpartner vorstellen wie er
nun mal nicht ist, nicht sein kann, nicht sein will.
Eine junge Dame hat sich mich auch mal vorgestellt, 1,80 groß, asketisch, schwarze
Haare und superdominant. Eine andere wieder hat bis 1 Sekunde vor dem Treffen nicht
daran geglaubt, dass ich real existiere. Wenn ich mir das über mich so anhöre,
meine Erfahrungen die ich persönlich auf diversen SM-Gruppen-Treffen gemacht habe,
ist mir eigentlich klar, welche Enttäuschungen und Fassungslosigkeiten auf ein
Paar zukommen kann, das sich zum erstenmal trifft. Selbst bei peinlich genauer Ehrlichkeit
kann noch vieles hinein interpretiert werden, was nicht ist. Da sollte man sich dann doch
einmal die Chance geben, mit dieser Enttäuschung fertig zu werden ohne gleich das Gesicht
zu verlieren. Häufig ist die Realität, wenn man sie erst einmal akzeptiert hat,
durchaus o.k. aber da braucht eben jeder unterschiedlich Zeit um damit fertig zu werden.
Wenn man sich dem anderen gegenüber verpflichtet fühlt, weil der z.B. das Hotelzimmer
bezahlt hat oder Freunde ausquartiert hat um eine sturmfreie Bude zu haben, dann tut man
sich wesentlich schwerer, nein zu sagen und die persönliche Unabhängigkeit und
damit auch Sicherheit zu wahren.
Wie auch immer, wenn es nicht klappt mit dem Date, man dann auch noch mit Öffis
unterwegs ist und keine Möglichkeit hat wegzukommen, dann benötigt man die
Chance sich irgendwo unabhängig zurückzuziehen. Und dafür sorgt man am
besten vorher und nicht erst, wenn man schon mitten im Schlamassel sitzt.