Getauft wurde sie im Jahre 1908 auf den Namen Anne Cécile Desclos. Als Dominique Aury
war sie als Übersetzerin und Autorin geschätzte und bekannt und hat unter anderem eine
Anthologie der religiösen Dichtung Frankreichs herausgegeben. Zweifellos war sie eine gebildete,
ungewöhnliche Frau, doch um Jean Paulhan von der Académie Francaisean zu beeindrucken, mußte
sie sich etwas besonderes einfallen lassen. Er selbst hat an de Sade gearbeitet und bezweifelte,
daß Anne Cécile in der Lage war auch erotische Literatur schreiben zu könne. Mit Briefen
an ihn bewies sie eindrucksvoll das Gegenteil. Aus den Briefen wurde ein Buch:
Die Geschichte der O. Veröffentlicht wurde das Buch unter dem Pseudonym
Pauline Reage mit einem Vorwort von dem von ihr so verehrten Jean Paulhan. Ob ihre
Bemühungen um Jean von Erfolg gekrönt wurden, darüber schweigen sich die von mir
gefundenen Quellen aus. Anne Cécile Desclos verstarb im Jahre 1998.
Das Buch wurde in 20 Sprachen übersetzt und bekam 1955 den wichtigen französischen
Literaturpreis Deux-Magots. In vielen Ländern wurde das Buch verboten, stand häufig einige
Jahre am Index. Desclos gab erst 1994 in einem Interview mit dem amerikanischen Magazin
The New Yorker zu, die Autorin zu sein. 1975 wurde das Buch verfilmt.
Die Geschichte der O hat es sicher nicht nötig von mir kommentiert zu werden darum lasse ich es
auch. Ich kann es mir jedoch nicht verkneifen Kommentare anderer zum Buch unter die Lupe zu nehmen.
Einige bezeichnen den ersten Teil des Buches als eine Liebeserklärung an SM und den zweiten,
Rückkehr nach Roissy, als simple Pornographie wo sich Roissy als Bordell entpuppt und
Sir Stephen als Gauner. Ich sehe es eher so, daß Anne Cécile eine Frau war, die träumen
konnte, witzig war, mit einem Hauch Boshaftigkeit und wer weiß schon, was da mit dem guten Jean
gelaufen ist, daß sie den Helden ihres Romans am Ende derart mißhandelt hat. ;-)
Es gibt viele Bücher, die die Menschen, ja sogar die Menschheit geprägt haben. Wenn ich da
mal die Bibel und den Koran ausnehme bleiben immer noch sehr viele davon die mißverstanden
wurden und so große und kleinen Katastrophen verursacht haben. Erich Fromm hat beim Schreiben
von Die Kunst des Liebens sicher nicht daran gedacht, daß er mit seinen
Überlegungen die Hippie-Bewegung auslösen würde. Goethe wollte sicher auch keine
Selbstmordwelle mit Die Leiden des jungen Werther hervorrufen. Desclos hat beim Schreiben ihres
Romans sicher auch nicht im Traum daran gedacht, daß sie damit als Mutter der 24/7 bezeichnet
wird und die Phantasien und Vorstellungen sehr vieler prägen wird.
Ich konnte bei meiner Recherche nirgendwo erkennen, daß sie das was sie in ihrem Roman
geschrieben hat auch gelebt hat. Zweifellos hat sie sich auch mit de Sade beschäftigt, schon
alleine der Liebe wegen ;-) aber gerade der Schluß des 2. Teiles zeigt mir, daß es sich
bei ihr um eine sehr bodenständige Frau gehandelt hat, die Phantasie, sei sie auch noch so
lustvoll, von Realität sehr genau zu unterscheiden wußte und die Menschen in ihrer
Gesamtheit sehr gut kannte und akzeptiert hat.
Der Wunsch nach dem Perfekten ist nur all zu verständlich und menschlich, wird aber immer nur
eine Illusion sein. Menschen sind nun mal nicht perfekt und sind daher auch nicht in der Lage das
Perfekte zu schaffen und das zeigt uns Desclos in ihrem zweiten Teil sehr genau.
Ich selber habe das Buch mit 16 das erste Mal gelesen. Was mir in Erinnerung blieb war die
Beschreibung, wie O mit nacktem Popo auf einem Stuhl sitzt. Vermutlich kommt daher meine Leidenschaft
für Sommertage ohne Unterwäsche. Ich kenne eine einzige Person, die das Buch gelesen hat
und es mit einem "Na, ja. Ganz nett geschrieben." wieder weggelegt hat. Für sehr viele
jedoch wurden Buch oder Film zum Schlüsselerlebnis für ihre sexuelle Zukunft. Es soll ja
auch schon mal Frauen gegeben haben, die haben ihren Mann an der Hand genommen, ihn ins Kino
geschleppt um die O zu sehen, damit er endlich versteht, was sie will ;-))
Leider gab, gibt es und wird es immer Menschen geben die Bücher und die Figuren sehr real
empfinden und nicht nur beim Lesen in deren Rolle schlüpfen möchten. Nur, was für eine
Romanfigur angemessen ist, heißt noch lange nicht, daß es für einen Menschen der im
Heute und Jetzt aktiv seinen Beitrag in der Gesellschaft leistet, richtig ist. Wie bereits oben
erwähnt, sollte die Identifikation nicht so weit gehen, daß eine Reihe junger Männer
Selbstmord begehen, weil sie den Werther gelesen haben.
Auch die Geschichte der O ist eine Fiktion, keine Realität und in dieser Form um das Jahr 2000 im
täglichen Leben nicht realisierbar. Natürlich kenne ich auch O-Spieler, die sich ihre
Möglichkeiten erarbeitet bzw. geschaffen haben und ihr ganz persönliches Roissy haben, das
zu ihnen paßt und in dem sie sich wohl fühlen. Aber es ist bei jedem Pärchen anders
und eben an diese beiden Personen angepaßt. Männer die nach dieser Lektüre auf die
Idee kommen, das wäre jetzt die Lösung damit ihre Machowelt wieder in Ordnung kommt, werden
erkennen müssen, daß die O's nicht gerade Schlange stehen und, wenn sich eine Partnerin
findet, daß die O tatsächlich eine Fiktion ist.
Bei Frauen führt es manchmal dazu, daß sie der Meinung sind, genau das ist es was sie wollen
und brauchen. Spätestens nach dem ersten Schlag mit einer Gerte wissen sie wo die Unterschiede
von Roman und Realität sind und jederzeit ihrem Herrn und Gebieter zu Willen sein, ist wohl auch
nicht jederfraus Sache ;-)
Neben all der Geilheit gibt es einen Alltag, den es gilt zu bewältigen und das ist für viele
schon ohne O-Geschichten schwer genug. Um beides gemeinsam durchzuziehen, Alltag und O-Phantasien,
braucht es zwei starke, gesunde Menschen, die sich gemeinsam erarbeiten was sie wollen.