Wieder
mal mit dem Fahrtendienst unterwegs, vom Radio nach Hause. Der Fahrer
murmelt etwas wie: "Auf der Fahrt zu ihnen müssen wir noch wem
mitnehmen. Aber es liegt auf dem Weg. Sie werden schnell kommen, äh,
nach Hause kommen." Ich schau ihn an und denk mir: Hat er sich jetzt
versprochen, bei seinem etwas holprigen Deutsch oder hab ich da so ein
schäbiges Grinsen grad gesehen? Nein, doch Einbildung, außerdem,
dieser Typ hat doch immer so einen Blick drauf. Was ich da gleich zusammenphantasier,
wegen einem patscherten Versprecher.
Während
ich so selber mit mir in Gedanken red, befestigt er den Rolli im Fahrzeug.
"So gut wie vom Profi gefesselt. Da kommens mir net aus. Man kann
ja nie wissen, was passiert ..." - und wieder dieses Grinsen. Na
gut, denk ich mir, dann spiel ich halt ein bissl mit. Ein wenig Geplänkel
ist oft unterhaltsam und ungefährlich, und außerdem kann
ich ja das Gespräch führen. "Fesseln macht ihnen also
Spaß? Da kennen sie sich wohl aus?" - "Sie sind aber
sehr neugierig - und indiskret! Das kann oft unangenehme Folgen haben."
Ups, was soll denn das? Ich bin verwirrt, mit so einer Antwort hab ich
nicht gerechnet. Na gut, dann nicht, denk ich mir und beobachte seinen
ernsten, ja fast strengen Blick, der mich im Rückspiegel kurz trifft.
Irgendwie hat dieser Fahrer was, das fällt mir erst jetzt auf,
obwohl ich schon so viele Male mit ihm gefahren bin.
Er
fährt los. Nach kurzer Zeit bleibt er stehen, beim Aussteigen sagt
er: "Ich komm gleich, hol nur den Kunden ab, der hat einen großen
Koffer, muß beim Tragen helfen - und nicht davonfahren. Brav warten,
bis ich mit dem Herrn da bin." - Und wieder, ein seltsamer Ton,
den er anschlägt. Ich spür, wie mein Körper drauf reagiert.
Und wie er "Herrn" betont - Dorli, sag ich selbst im Geiste
zu mir, während er die Wagentür zuschmeißt, die Welt
besteht nicht ausschließlich aus BDSM und deiner unersättlich
Lust, was du da wieder hineininterpretierst ...
Nach
etwa zehn Minuten kommt er wieder, und ich bin froh, daß es endlich
weitergehen kann. Ich möchte nur schnell nach Hause nach dem langen
Tag. Umständlich verstaut er einen silberfarbenen Metallkoffer
am Vordersitz und gleichzeitig wird ruckartig und lautstark die Hintertür
des Busses geöffnet und ebenso wieder zugeknallt. Ich höre,
daß jemand einsteigt und hinter, mir auf einem der Klappsitze,
Platz nimmt. Ich sage: "Hallo" und zurück kommt ein gesetztes:
"Guten Abend." Die Stimme kommt mir bekannt vor, ja beinahe
vertraut. Naja, die Welt des Fahrtendienstes ist klein. Wahrscheinlich
sind wir schon mal zusammen gefahren, denk ich mir, als der Fahrer den
Wagen startet.
Ich
versuche mit meinen Hintermann ins Gespräch zu kommen. So übers
Wetter, die Bundespräsidentenwahl ... Smalltalk halt, damit die
Zeit der Heimfahrt schneller vergeht und zudem bin ich neugierig, wer
das eigentlich ist. Doch gesprächig ist dieser Mann nicht. Mehr
als " ... mhm, aja, soso, aha ..."kann ich ihm nicht entlocken,
und ich gebe meine Konversationsversuche bald auf - muß ja nicht
sein.
Da
bemerke ich, daß der Fahrer auf der falschen Spur steht: "Wir
müssen jetzt links. Bei der Ampel müssen wir links, über
die Franzensbrücke. Links! Liiinks!" Seelenruhig sagt er:
"Ja, natürlich" und fährt geradeaus weiter, den
Donaukanal entlang. "Sie sind jetzt aber vorbeigefahren! Wir hätten
doch abbiegen müssen!" - "Sie halten jetzt den Mund.
Fürs Fahren bin ich zuständig. Sie werden schon rechtzeitig
kommen, äh, nach Hause kommen - und jetzt aus!"
Ich
kanns nicht fassen: "Sagen sie wie reden sie denn, was fällt
ihnen ein?! Sind sie jetzt ganz übergschnappt?!! Oder ..."
Weiter komme ich nicht. Plötzlich werden mir von hinten die Augen
verbunden, es riecht nach Leder. Meine Arme bitzschnell an den Handgelenken
jeweils links und rechts seitlich an den Rollstuhl fixiert. Es passiert
alles mit einer rasenden Geschwindigkeit. Ich vernehme nurmehr ein metallisches
Klicken und spüre kühles Metall an meinen Handgelenken. "Ja,
was..." ist alles was ich noch sagen kann und schon wir mir was
in den Mund gesteckt und gleichzeitig mein Kopf an die Lehne des Rollstuhles
gedrückt. Ich spüre einen starken Zug, kann meinen Kopf nicht
mehr bewegen. Ich kanns nicht fassen. Geknebelt, den Kopf und Arme fixiert
und sehen kann ich durch die Augenbinde auch nichts. Ich glaub, ich
bin im falschen Film, mein Herz klopft, ich glaub es zerspringt. Wo
bin ich da gelandet!
Der
Bus fährt weiter, als wäre nichts geschehen, sonst hör
ich auch nichts. Ich bring natürlich nicht mehr als ein jämmerliches
Stöhnen aus mir. Sinnlos jeder Versuch, nur einen Ton von mir zu
geben. Also bemühe ich mich, irgendwas zu hören. Doch nichts,
wir fahren weiter, als wäre nichts geschehen.
Plötzlich
spür ich einen warmen Hauch, ein Atmen an meinem Ohr: "Wir
fahren jetzt in ein weites Land. Die Reise wird dir gefallen - das weiß
ich." Eine Hand streicht mir über die Wange.
Diese
Stimme, die, die kenn ich doch, oder doch nicht ... aber bloß
woher? So vertraut. Nein, nein, das glaub ich nicht - oder etwa doch
... Da bekomme ich Kopfhörer aufgesetzt, und ich tauche unter.
Laut höre ich die Musik von Orff, Carmina Burana. Es ist gewaltig.
Ich lasse mich fallen, ergebe mich ...