rev. 7.12.2000
Die Situation was deutsche Büchern betrifft, die sich
ernsthaft mit dem Thema Sadomasochismus beschäftigen und auch
empfohlen werden können, ist recht trist.
Gleich vorweg - eigentlich gabt es bis vor Mitte 1999 nur eines: "Das SM Sicherheitshandbuch"
aus dem Charonverlag, dem Herausgeber der Schlagzeilen.
Was Übersetzungen in die deutsche Sprache betrifft, bei manchen wäre wohl
Übertragung der bessere Ausdruck, gibt es ein klein wenig mehr.
Mittlerweile hat sich die Lage ein wenig gebessert: Es gibt Matthias Grimme's "Bondage Handbuch" und ein Buch für den Einsteiger in die SM-Szene: "Die Wahl der Qual" von Katrin Passig und Ira Strübel, das als RORORO Sachbuch Augst 2000 herauskam.
Dem spärlichen deutschsprachigen Angebot steht doch eine größere
Anzahl "Fachbücher" in englisch gegenüber. Das hat auch mit dem Coming Out, den
erstmaligen öffentlichen Auftritten der Sadomasochistische Subkultur zu tun.
Allen voran, die schwulen Ledermänner und die Sadomasochistinnen in der Lesbenszene. Die Akzeptanz
in der Allgemeinbevölkerung war damals schon alleine wegen ihrer gezeigten Homosexualität
nicht gegeben. Das fand in den 70ern und frühen 80er Jahren vor allem in Amerika statt.
Aus dieser Szene sind die ersten ernstzunehmenden "How to do" "wie mach ich's richtig"
Bücher entstanden.
Sicherlich aus diesem ersten Auftreten glauben fälschlicher weise immer noch viele,
daß viele Schwule auch Sadomaschisten sind - spätestens dann wenn sie Lederhosen tragen.
Diese Bücher mögen zwar manchmal spezifisch sein was die sonstigen sexuellen Vorlieben
betreffen, aber da Sadomasochismus pansexuell ist, spielt das nicht wirklich eine Rolle .
Mein erstes für mich greifbares Buch, das auch über SM Praktiken berichtete, war
von Pat Califia "Sapphistry". Damals noch eindeutig als Buch zur "lesbischen Sexualität"
zu zählen, wurde dann z.B. das "Lesbian SM Safetymanual" bereits in deutscher Sprache
als "SM Sicherheitshandbuch" übersetzt. Eines der empfehlenswerten Bücher in den letzten
Jahren, "Sensous Magic" von Pat Califia kann ohne Einschränkungen für alle
empfohlen werden, gleich welche sexuelle Ausrichtung sie haben.
Bezeichnend auch die Probleme in der Beschaffung - 1988 wurde mir das "Lesbian SM Safetymanual"
im Londoner "Gay & Lesbian Bookshop" nichtmal verkauft - heute kein Problem. ( Ich war
neulich wieder mal da ;-) )
In den letzten paar Jahren fanden sich, bedingt durch das Internet, sehr viele Leute. Eine
rege Diskussion quer über Grenzen und Kontinente entstand. Aus dieser, wie auch
aus den mittlerweile gegründeten Initiativen und größeren Gruppierungen
( Samois, NLA, Janus,
TES als Beispiel ) entstammen die meisten der heutigen
SM Bücher, die getragen von diesem gewissen Gefühl sind, daß Nicht-SMler wohl
schwer nachvollziehen können. Neben den Büchern die der wohl ewigen Frage
des "woher-wohin-warum" nachgehen, gibt es auch solche, die sich mit den "handwerklichen"
Praktiken beschäftigen.
Alles in allem gibt es wohl nicht viel mehr als zehn bis zwanzig Bücher, die man
gelesen haben sollte ( eventuell kann man sich auch auf eine Handvoll beschränken )
die einen Grundstock bilden.
Den Rest kann wohl kaum ein Buch vermitteln, den muß jeder für sich selbst entdecken.
Vieles braucht einfach Entwicklung. Allerdings wird man wohl mal steckenbleiben, wenn
man nicht irgendwann den Mut faßt und hinausgeht um Gleichgesinnte zu treffen.
Ich bezog mich bisher auf die Sparte "Non-fiction". Bücher deren Inhalt zwar
sicher auch mit Phantasie und oftmals auch mit viel Humor geschrieben wurden, aber eben
eher die Praxis zeigen. Was Bücher der Sparte "fiction" betrifft, gibt es viele
und sie sind Geschmackssache.
Ebenso wie man dann noch die Grenze zwischen erotisch anregend oder reiner Konsumpornographie
zieht, oder noch schlimmer: als Gewaltpornographie verteufelt wird.
Man sollte sich vor Augen halten, daß gerade letztere Grenze oft von unaufgeklärten
Mitmenschen gezogen wird und viele aus diesem Grund ein völlig falsches Bild von
uns Sadomasochisten haben. Leider kann auch durch eine unbedachte Propagierung solcher
Machwerke viel von der jahrelangen aufklärenden behutsamen Medienarbeit durch
SM Gruppen zunichte gemacht werden.
Für einen nicht SMler ist es schwer, bis unmöglich unsere Gedankenwelt zu verstehen,
aber wir können akzeptiert werden. Wir sollten eben diese Akzeptanz nicht mutwillig
aufs Spiel setzen, indem wir mit den blutrünstigsten Phantasieprodukten überfordern.
Da Sadomasochismus noch immer vielerorts ein Tabuthema ist, hat man es gerade am Anfang
nicht leicht Publikationen zu beschaffen. Oftmals war man angewiesen in Buchgeschäften
nachzufragen, wobei man aber nicht einmal wußte, welche Bücher es überhaupt
gibt. In manchen Buchhandlungen kann man mit Glück in der Sparte Sexualität,
Frauenbücher und Homosexualität fündig werden. Lohnenswert auch oft im
Anhang der Verweis auf weiter Publikationen.
Bleibt einem dann nur noch, tief Luft zu holen und bei einem Verkäufer nachzufragen.
Sicher, ein großer Schritt, aber Du bist nur einer von vielen Kunden, und in aller
Regel wird Dich ja auch keiner kennen. Das Gerede der Masse ist auch völlig egal,
es bringt Dich nicht weiter und Du hast nichts davon, ein ansprechendes Buch sehr wohl.
Für viele ist es ein erstmaliger Kontakt mit Gleichgesinnten.
Eine andere Quelle der Information stellen einschlägige Zeitschriften wie Schlagzeilen,
Twilight, SandMutopian Guardian und Skin Two dar. Da findest Du auch Publikationslisten und
Besprechungen.
Der Sexshop ist wohl kaum geeignet - aber dafür wirst Du da vielleicht die Art von
Konsumpornographie finden die hier fehlt.
Im Erotikgeschäft oder Boutique kannst du schon eher fündig werden.
Durch das Internet hat man mittlerweile direkten Zugang zu Verlagen in unserer Kreis oftmals
sogar direkt zu den Autoren. Hier ist es günstig, wenn sich mehrere Leute zusammentun
um eine Massenbestellung direkt beim Verlag zu ordern. Meist bekommt man dann noch einiges
an Rabatten, die zumindest die Transportkosten kompensieren.
Bei namhaften Quellen wie Greenery Press, Mystic Rose, Gloria Brame,
Pat Califia, QSM, Atomic Books, Daedalus Publishing Company,
Amazon Books, wird es wohl kaum Probleme geben.
Es gibt mittlerweile auch direkt über Internet erhältliche Dokumente und
Onlinepublikationen. Auf den Homepages der Autoren oder Verlage manchmal auch
Textauszüge.
Auch die SM Gruppen verfügen meist über eine Literaturliste. Einfach beim
Stammtisch nachfragen, da kannst individuell beraten werden. Es werden Dir die
richtigen Bücher empfohlen.
Du selbst mußt entscheiden, was gut für Dich ist, es kann Dir auch nicht
abnehmen daß Du mit Dir und Deiner Umgebung ins Reine kommst. Sie können
nur Wege zeigen, wie andere damit umgehen.
Detaillierte Anleitungen, wie eine Spielszene zu laufen hat oder wie man genau welche
Praktik betreibt wird wohl nur in groben Überblick möglich sein. Bücher
können Dir ein Gefühl und Einfühlungsvermögen entwickeln helfen,
wenn Du es nicht kannst, kann Dir ein Buch das auch nicht vermitteln.
Freilich, man kann vieles lernen über Sicherheitsaspekte aber schwierigere
Spielarten, oder solche welche doch einige Erfahrung selbst bedürfen wirst
du in allen Details nicht finden, oder würdest Du auf die Idee kommen,
z.B. einen Blinddarmoperation nur mit dem angeeigneten Wissen aus Büchern durchführen
zu können ?
Also gilt auch hier, Du wirst Gleichgesinnte in den SM Gruppen treffen müssen.
Die Erfahrung, die viele über die Jahre gesammelt haben, jeder für sich
und oftmals auf ganz verschiedenen Gebieten des weiten Feldes der Spielarten kann
man nicht in Büchern finden. Heute gibt es wenigstens einige recht gute
Bücher zum Thema SM-Sicherheit. Keines gelesen zu haben bedeutet unter Umständen,
durch selbstgemachte elementarste Fehler selbst lernen zu müssen.
Und manche Fehler, so einfach sie vermeidbar gewesen wären, können zu schwersten
Verletzungen physischer wie psychischer Art führen.