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Der kleine Tod heißt der Orgasmus in Frankreich. Alle Theorie der Erotik kreist um die Beziehung von eros und thanatos. Als Orgasmus hat er sich seinen Tod immer gewünscht, der wunderliche Prophet des SM Weltfriedens, der Jünger von Georges Bataille und Romano Guardini. Natürlich, von Nicky ist hier die Rede. Daß ihn der Tod am Schreibtisch ereilt hat und nicht in den Arme einer bell dame sans merci war vielleicht nicht ganz das, was er sich erhofft hat, aber doch ein kluger Schachzug gegenüber den Halbgöttern in Weiß.
Alle Rituale der Trauer finden für die Lebenden statt. Nicht für die Toten, für die ist alles vollbracht. "Laßt die Toten ihre Toten begraben"; heißt es in der Bibel, ein Buch, das Nicky wegen seiner verborgenen Realität sehr zu schätzen wußte. Nein, wenn wir um Nicky trauern dann deswegen, weil er uns fehlt. Er fehlt uns zuallererst deswegen, weil er einer der Ersten war, die mit Selbsthilfe der SM Szene begonnen haben. Seit es in München so etwas wie einen SM Stammtisch gibt, ist Nicky ins Amt des Seelsorgers aufgestiegen. Als Zeichen seiner Würde trug er jahrelang denselben schwarzen Rollkragenpulli daher auch der Name Nicky.
Er war eine große integrierende Figur. Aber auch ein Mahner Er gehörte zu der Generation sehen Faschismus noch als Kind erlebt hat. Kinderaugen sehen das, was Erwachsene nicht sehen wollen. Er hat nicht nur die Faszination der SS-Uniform gesehen, sondern auch Deportationen. Stundenlang konnte er sich deshalb erregen, wenn wieder einmal in der angloamerikanischen SM Szene in aller Naivität die Verwendung von SS-Uniformen ruchbar wurde. Der Mißbrauch der SM-Energien, sei es für politische Macht und Staatsgewalt, sei es für Religion oder Rudelführertum, war eines seiner großen Themen. Bei aller Integrationsfähigkeit grenzte er hier klar ab und auch aus.
Von daher rührt auch sein nie verwundener Konflikt mit
der katholischen Kirche. Ihre subtilen Herrschaftsmechanismen
und Kasteiungen, die ganze Lehre von Erbsünde und
Erbschuld, von Opfer, Sühne und Vergebung, machten ihn
zeitlebens zu einem unheilbar katholischen Atheisten. In
wahrhaft Bunuelsches Gelächter könnte er jetzt ausbrechen
wüßte er, daß er auf einem höheren katholischen Friedhof
begraben wird.
Seine Lieblingswitze handeln von der III.
Inquisition, vom Opus Dei, von der Farbensymbolik der
römisch-katholischen Hierarchie und vom Triumph jesuitischer
Folterwerkzeuge über die malträtierte Dame Ratio: "In
einem schwarzen Keller ist keine Schwarze Katze. - Der Physiker
berechnet die Wahrscheinlichkeit ihrer Existenz. Dann
kommt der Philosoph und debattiert die Möglichkeit ihrer
Existenz. Der Theologe schließlich beweist ihre Existenz.
Aber dann kommt der Jesuit und fängt die schwarze Katze."
Als ich ihm einmal erzählte, daß ich in einem Dominikanerkloster
in eine Säule geritzt den Spruch "Quicum Jesu itis, non
eatis Jesuitis " ("Wer mit Jesus geht, geht nicht mit den Jesuiten")
fand, wäre er vor Lachen tot vom Stuhl gekippt.
Seiner Analyse des römisch-katolischen Ritus verdanken wir einige elementare Erkenntnisse. Die Wirkung von Weihrauch auf den Hormonspiegel. Die Verzückung in den Gesichtern der barocken Märtyrerstatuen, die mit ihren Folterinstrumenten abgebildet, genau den verzückten Gesichtsausdruck der SM-Ekstase wiedergeben, Die Bedeutung harten Kirchengestühls für die Ausschüttung von Endorphinen. Die Farbe Weiß als Farbe der absoluten Dominanz: Ergo, so diskutierte ich mit ihm, ist es die radikalste Form der Unterwerfung für eine Sklavin, wenn sie vorher in königliches Weiß gekleidet wird. Für diese Grundidee einer meiner schönsten SM-performances bin ich Nicky ewig dankbar - die Unterwerfung der Braut: "Le cygne enchaine" ("Der: Schwan in Ketten").
Nicky war nicht nur der professionellste Nichtvorsitzende, den es jemals gab. Nicky war auch ein richtiger SM-Prophet. Ich rege hiermit an, das Buch seiner Sprüche zu sammeln. Einiges, was mir gerade so zufällt: "SM hat mit der Gewalt in der Gesellschaft so viel zu tun, wie das Schachspiel mit dem Krieg. Ich sag' doch auch nicht zum Schachspieler 'Du Militarist'. "
"Wenn Mercedes erst mal mit SM wirbt,
sind wir gesellschaftsfähig" .
"Der Dresscode ist etwas für S/M-Trachtler.
Ich fordere den mindcode "
" Es gibt keine unbegabten
Menschen. Jeder hat das Grundrecht auf Verwirklichung seiner
SM-Fähigkeiten. Aber einige sind im Zustand der Begnadung.
Das sind die Doppelbegabungen. " -
" Hütet
Euch vor den Existenzverdünnern "
Nickys Musikgeschmack in Sachen SM war kitschig. Hat er jedenfalls selbst immer erklärt. Bolero, Enigma, Enja kein Techno, pfui Teufel! Aber seine besondere Spezialität verdient doch festgehalten zu werden: Höfische englische Barockmusik mit einem strengen, unfehlbaren Schlagrhytmus.
Natürlich hat er uns manchmal genervt. Gab es jemals einen solchen Sicherheitsfanatiker?! Wenn er nicht schon eine Professur gehabt hätte, hätte er eine für Sicherheitstechnologie verdient. Das seltsame Dreiergebot - "Bei SM müssen immer mindestens drei dabei sein, immer ein Dritter, der aufpaßt, daß ja nichts passiert" ; also ehrlich, war das nicht ein wenig eigennützig?
Überall den Sicherheitsingenieur spielen, das hätte Dir so gepaßt mit mir und, naja, Eingeweihte wissen schon... Auch Deine Eifersucht hat unsere Nerven manchmal etwas strapaziert. Aber schwierig sind wir schließlich alle. Last not least muß hier Nickys Beitrag zum technischen Fortschritt festgehalten werden. Allem voran natürlich das Kompressionsfolternetz. über mehr als ein Jahrzehnt habe ich die Entstehung verschiedenster Prototypen verfolgt. Bis dann endlich ein brauchbares Produkt herauskam. Reine Handarbeit, Tausende von Knoten. Kein lndustrieprodukt war verwendbar, weil die Winkel nicht stimmten. Die nächste verbesserte Version war bereits in Planung, darauf werden wir für immer verzichten müssen. Was verdanken wir Deiner "Dolortech" alles? Leichtbauweise war das Stichwort. äußerste Belastbarkeit, transportabel, zusammenklappbar, ortsunabhängige Montage, formschön. Deine handwerklichen Fähigkeiten waren außerordentlich und voller Gefühl.
" Über Korsettierung kann man stundenlang reden. Aber das hilft nicht weiter. Korsettierung muß man fühlen. "