Geschichten von Minuit - Feuersbrunst

Feuersbrunst

Die Nonnen vom Kloster Monte P. hatten, so sagt man, eine besonders perfide Strafe für alle Mitschwestern erfunden, die gegen die Ordensregel der Keuschheit - wenn auch nur im geringsten - verstießen. Der Orden war streng, schon eine unbedachte Bewegung, ein allzu freundlicher Gesichtsausdruck konnte so gedeutet werden, dass die reine und vollkommene Keuschheit nicht mehr gewährleistet war und die Sünderin mit der strengsten Bestrafung rechnen musste.

Wer so der Strafe verfallen war, wurde in einen besonderen Teil des Klosters gebracht, den man die "Galerie der Schrecken" nannte. Dort waren in einem unterirdischen Raum in der schwachen Beleuchtung einiger weniger Fackeln Dutzende lebensgroße und grell bemalte Holzfiguren zu sehen, die die Qualen der Verdammten darstellten. Schon bei diesen Bildern musste jede Sünderin erschauern, denn schrecklich waren die höllischen Strafen, die hier ausgemalt waren. Da zwangen zwei grässlich anzuschauende Dämonen ein nackendes Weib, die Hände hinter dem Rücken gefesselt, auf einem rot glühenden Spieß zu sitzen, der tief in ihre Eingeweide drang - dort wurden einem nackten Mann, der sich in stummem Heulen krümmte, die schuldbeladenen Teile von zwei grinsenden roten Teufeln herausgesägt - an einer anderen Stelle wieder sah man ein Weib und einen Mann bis über die Hüften in einem Kessel sitzen, wo ihnen die Teile, mit denen sie gesündigt hatten, lebendigen Leibes in einer Sudelbrühe gesotten wurden. Man sah Weiber und Männer auf Stangen gepfählt, die zum After hinein und zum Mund wieder herausdrangen, und andere, in deren Körperlöcher sich zuckend die giftigsten Vipern drängten. Solchen, die unreine Küsse getauscht hatten, saßen lebende Skorpione im Mund, deren Stachel sie gnadenlos quälten, während den Sodomiten armlange Tausendfüßler und gelbe Würmer in die hinteren Öffnungen krochen. Männer, die sich geheimen Lastern ergeben hatten, waren mit gespreizten Armen und Beinen an Pfähle gefesselt, auf ihrem Unterleib waren glühende Kohlen aufgehäuft, die ein ständiger Wind zu heller Glut anfachte. Wieder andere, die sich neben ihrer Ehefrau eine Geliebte gehalten wurden, wurden zum Zeichen, dass sie zwei Frauen angehört hatten, von lachenden Henkersteufeln der Länge nach in zwei Teile gesägt, die aber beständig wieder zusammenwuchsen um von neuem zersägt zu werden. Von den Voyeuren wiederum waren nur noch die Köpfe übrig, die auf Spieße gesteckt waren und in alle Ewigkeit nichts mehr tun konnten als die lüsternen Augen von einer Seite zur anderen rollen zu lassen, wo sie aber nur Strafen und Schrecknisse sahen. Alle diese Sünder waren mit Dornenranken gefesselt und mit lebenden Igeln geknebelt, alle saßen auf rot glühenden Stühlen oder waren auf stachligen Folterbetten hingestreckt, alle waren mit schwarzem Blut und dem Geifer des Entsetzens bedeckt. Die hölzernen Dämonen, die hier aufgestellt waren, waren mit schwarzer oder roter, oft auch blauer Farbe bemalt und von der grausigsten Gestalt: Einige hatten gehörnte Häupter, auf denen sich lebende Schlangen wanden, andere zwei oder drei Gesichter mit einer Unzahl von Augen, wieder anderen waren Rücken, Kopf und Hals zu einem gewaltigen schwarzen Buckel verwachsen, aus dem krumme rote Hörner emporragten. Aber auch die Verdammten, die von ihnen gequält wurden, waren so scheußlich anzusehen, dass der Blick von ihnen zurückschauderte.

Das Eigentümliche an jenen Darstellungen war jedoch, dass sie, die der Abschreckung von der Sünde dienen sollten, aufs äußerste lasziv und zuchtlos waren. Man sah die Verdammten untereinander, ja selbst die Verdammten mit den Teufeln, die sie marterten, in allen nur erdenklichen Verschlingungen der Lust miteinander verbunden. Vor allem die Teufel zeigten jeder eine Männlichkeit von ungewöhnlicher Größe, die stets scharlachrot oder leuchtend weiß bemalt war - einen Schaft so lang und dick wie der Arm eines Mannes und Hoden so prall wie Kürbisse. Auch die entsprechenden Teile der Verdammten waren übergroß und mit lästerlicher Deutlichkeit bis in alle Einzelheiten ausgeführt und noch im Schmerz wanden sie sich in lüsternen Posen, die beim Beschauer ein seltsames Prickeln hervorriefen. In diese Galerie der Schrecken wurde nun die jeweilige Delinquentin gebracht. Dort wurde die schluchzende Unglückliche von ihren Mitschwestern entkleidet und an einen Pfosten gebunden, und zwar so, dass die Hände hinter dem Pfosten an einen eisernen Ring gekettet wurden, die Fußknöchel jedoch an zwei Ringe im Fußboden, die sie zwangen die Beine weit auseinander zu spreizen. Auch die beiden Nonnen, die die Strafe vollzogen, entkleideten sich, während die Oberin und einige weitere Schwestern im vollen Habit stehenblieben.
Nun reichte die Oberin der Verurteilten eine kleine Phiole mit einer schwarzroten Flüssigkeit hin und befahl ihr mit strengen Worten diese Tinktur zu trinken. Was die Unglückliche aber nicht wusste, war, dass diese Phiole Branntwein und Opium enthielt, denen eine hohe Dosis Spanischer Fliege beigemischt war, so dass - kaum hatte sie den letzten Schluck des süßlich schmeckenden Gebräus getrunken - eine ungeahnte Lüsternkeit in ihr aufstieg.

Ihre Sinne wurden umnachtet. Das Entsetzen, das sie angesichts des Urteils und der schauerlichen Holzfiguren rundum befallen hatte, wich einem Dämmerzustand, in dem die Angst beinahe verschwand. Starke Hitze drang vom Magen kommend in alle ihre Glieder vor, allem allem aber ihre Schoß erwärmte sich und ihre Augen nahmen mit neuen Blicken die entkleideten Mitschwestern und die obszönen Einzelheiten jener Holzfiguren wahr. Nun muss dazugesagt werden, dass die Nonnen von Monte P. eine wie die andere aufs äußerste ausgehungert und von brennender Sehnsucht erfüllt waren, so dass es die Tinktur kaum gebraucht hätte, angesichts der geilen Bilder eine heftige Lust in ihnen zu erwecken, doch tat die Spanische Fliege das ihre dazu, während das Opium die Bilder in einen Schleier bunter Unwirklichkeit hüllte.
Es dauerte nicht lange, da versiegten die Tränen und die Delinquentin begann zu seufzen und sich in ihren Fesseln zu winden. Doch sollte sie sich dieses Vergnügens nicht lange erfreuen, denn nun begann die Oberin, die strengen Angesichts in ihrem schwarzen Habit dastand, mit dumpf dröhnender Stimme eine mahnende Predigt zu halten. Mit Ingrimm wies sie auf die entsetzlichen Folterungen hin, die die böse Begierde im Jenseits bestraften, und forderte die Delinquenten auf tief empfundene Reue und Buße zu tun. So eindringlich waren ihre Worte, so erschreckend der Klang ihrer wie eine Totenglocke hallende Stimme, dass die vom Opium berauschte Sünderin hochschreckte und mit aller Kraft versuchte ihre Gedanken von den unkeuschen Bildern und Gelüsten abzuwenden. Fast gelang es ihr, trotz der Bilder, die grell bemalt und zuckend beleuchtet von allen Seiten auf sie einstürmten - schon wollten Tränen der Reue sich in ihren Augen sammeln und ihr die Wangen hinabrinnen - da begannen die beiden Nonnen, die sich gleich ihr entkleidet hatten sie zu liebkosen.

Mit kunstvoller Fingerfertigkeit glitten ihre kühlen Hände über die heiße Haut, streichelten ihre Lenden, umrundeten die prallen Brüste mit den hart aufgerichteten Warzen, ja sie schreckten nicht davor zurück die Hände zwischen ihre Beine zu schieben und die verborgensten Stellen dort zu reizen. Krampfhaft versuchte die Delinquentin sich ihren Berührungen zu entziehen, ihre Gedanken von ihnen abzuwenden, aber - ach! zu heiß war das Feuer, das sie entzündeten, zu gewaltig die Lust, die ihre streichelnden Fingerspitzen erregten. Sie konnte nicht anders, sie wand sich stöhnend unter den lang vermissten Zärtlichkeiten, während ihre Augen nur noch die lüsternen Einzelheiten der Statuen rundum wahrnahmen ... doch unablässig hallte die Stimme der Oberin in ihrem Kopf, lauter und lauter, die dumpf hallend vom Gericht und der nimmer endenden Strafe sprach.
Und nun begriff die Unglückliche selbst in ihrem Rausch die perfide Grausamkeit dieser Strafe, denn in dem Maße, in dem ihre Lust wuchs, wuchs auch ihre Angst und ihr jammervolles Entsetzens. Sie wollte die Oberin anflehen mit ihren Drohungen aufzuhören, sie von hier fortzubringen, sie wollte die beiden Nonnen anflehen ihre Hände von ihr zu lassen, doch war sie stumm, nur ein dumpfes Muhen wollte hinter dem Knebel hervordringen, so sehr sie sich auch anstrengte ... und immer gnadenloser drang beides auf sie ein, die Lust und die Verdammnis, bis sie in Raserei verfiel.

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