Geschichten von Minuit - Das Kleinod

Das Kleinod

Ein Kunstschmied in Bologna hatte für die Damen jener Stadt, die oft unter impotenten Ehemännern und unzulänglichen Liebhabern litten, ein Kleinod gefertigt, ein Kunstwerk, das alle - auch die ausgefallensten - Wünsche befriedigte. Es war aus reinem Silber gefertigt und zwar in der Art eines Uhrwerks, so dass es sich, einmal in Bewegung gesetzt, von selbst weiterbewegte. Es genügte, wenn jene glücklichen Damen, die in den Besitz eines solchen - sehr teuren - Kleinods gelangten, sich damit zu Bette legten (oder wo sonst sie seine Freuden genießen wollten) und es mit sanftem Druck zwischen die geöffneten Schenkel schoben. Die Berührung einer Feder reichte aus um den verborgenen Mechanismus in Bewegung zu setzen. Welche Kunst oder Zauberei den Goldschmied befähigt hatte die geheimsten Wünsche jeder einzelnen Frau zu erraten, ist ungewiss, doch weiß man, dass das Kleinod stets in einer solchen Weise funktionierte, wie es jeder am liebsten war.
Es war von kompliziertem, doch gefälligem Aussehen und wurde in einer mit Samt ausgeschlagenen Schmuckkassette verkauft - freilich nur an jene Damen der gehobenen Gesellschaft, die sich seinen Erwerb leisten konnten, denn der Goldschmied ließ sich seine Kunst teuer bezahlen. Er gab es auch nicht an jede weiter, die danach verlangte (und das waren viele, denn das Geheimnis des silbernen Freudenspenders hatte sich rasch herumgesprochen) sondern nur an solche, die es seiner Meinung nach verdient hatten. Das waren Frauen, die mit fetten, gichtgeplagten und greisen Gatten geschlagen waren und nicht das Glück gehabt hatten einen jugendlichen Liebhaber zu finden.

Eine solche Frau war Madeleine, Gattin eines buckligen Ratsherrn und ebenso schön und heißblütig, wie sie einsam war. Ihr verkaufte der Goldschmied das heiß begehrte Kästchen. Sie konnte es kaum erwarten damit heimzueilen. Zuhause angelangt, schickte sie alle Zofen und Diener fort (ihr Gatte war glücklicherweise auf Reisen) und legte sich mit dem Kleinod zu Bett. Sie nahm es in die Hand und betrachtete es. Es sah seltsam spinnebeinig aus, beinahe wie ein großes silbernes Insekt mit Hörnern und Stacheln, und es lag kalt in der Hand, so kalt, dass sie zögerte ihren heißen Schoß damit zu berühren. Doch war die Lust in den vielen Nächten, die sie unbefriedigt an der Seite ihres buckligen Schlapphahns verbracht hatte, so übermächtig geworden, dass sie nicht länger an sich halten konnte. Mit einem tiefen Seufzer streckte sie sich rücklings aus, öffnete die Schenkel und schob das Kleinod dazwischen. Eine bebende Hand drückte die Feder.
Sie hatte erwartet, zumindest ein Klicken und Summen zu hören, das Geräusch eines Mechanismus, der zu laufen begann, doch nicht das geringste Geräusch ertönte. Sie fühlte nur, wie die Zangen des Instruments sich mit sanftem Druck in ihr Fleisch pressten, deutlich genug um fühlbar zu sein, aber nicht so fest, dass sie weh taten. Dann gerieten seine verschiedenen Schrauben und Spitzen in lautlose Bewegung. Madeleine fühlte, wie sie sich einander annäherten, wie sie sich öffneten und schlossen und mit haarfeinen Spitzen nach den Stellen tasteten, wo ihr Fleisch am empfindlichsten war. Es schien ihr, dass das silberne Gerät von einem eigenen Willen und einem eigenen Verständnis beseelt war und schaudernd erkannte sie, dass mehr dahinter stecken musste als bloße Kunstfertigkeit - dass der Goldschmied ein Zauberer sein musste, der zweifellos diesen Weg gewählt hatte um die armen Seelen in die Irre zu führen. Doch waren die Gefühle, die das Ding in ihr auslöste, mittlerweile so köstlich geworden, dass sie zögerte es wegzustoßen.

Es war so gebaut, dass seine Form, sei sie rund oder eckig, schmal oder breit, jeweils den Bedürfnisse einer bestimmten Zone angepasst war, so dass es mit großer Kraft eindringen konnte, potenter als einer der feurigen jungen Herren, die den glücklichen Damen Bolognas zu Willen waren, aber auch zarter liebkoste als ein Kätzchen, das seine Pfoten leckt. Zudem waren seine Bewegungen durch die Kunst des Uhrwerks so aufgebaut, dass sie sich in immer engeren Kreisen gleichsam von außen nach innen bewegten, von den weniger reizbaren Zonen zu jenen, die den Höhepunkten der Lust vorbehalten waren, so dass der Lustreiz beständig stieg. Schon bald wäre Madeleine nicht mehr imstande gewesen das Kleinod abzulegen, so berauschend war seine Wirkung. Sie lag seufzend und sich windend auf ihrem Bett, bis das komplizierte Spiel der Zangen sie zur äußersten Ekstase geführt hatte und ihr ganzer Körper in heftigen wollüstigen Zuckungen erbebte. Da löste sich das Kleinod von ihr und fiel ab.

Das Spiel wäre noch lange so weitergegangen, hätte nicht die Inquisition durch eine der frustrierten Damen, die bei der Verteilung des Kleinods übergangen worden waren, davon Kenntnis erhalten. Häuser wurden durchsucht, Inquisiten befragt, das unzüchtige Instrument wurde sichergestellt. Die Damen, die es verwendet hatten - unter ihnen auch Madeleine -, kamen noch billig davon, sie wurden nur auf offenem Markt auf dem kahl rasierten Schoß gebrandmarkt und dann aus der Stadt gejagt. Der Erfinder der Teufelei jedoch, der Goldschmied, wurde mitsamt seinen Kunstwerken in einen hölzernen Sarg gesteckt, aus dem nur sein Kopf heraussah, und so an einen Pfahl auf dem Scheiterhaufen gekettet und lebendig verbrannt. Seither waren die Damen von Bologna, die impotente Gatten und schlappe Liebhaber hatten, wieder auf die althergebrachten Mittel verwiesen.

MS von -bb-
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