Im Netz der Spinne

Hier liege ich nun - auf einem mit rotem Leder bespannten Altar. Wie mir mit Blicken gedeutet wurde, all zu gerne den Vorschlag folgend, habe ich mich umgezogen. Die Stiefel stehen im Spind, wohlgeordnet darüber meine Kleidung - Unterhose inklusive. Ich bin baren Fußes , aber nicht nackt. Meine Lederchaps müßten eigentlich einen schönen Kontrast zum roten Bezug bilden. Züchtig verhüllt ein Lederslip was er verbergen sollte. Das T- Shirt wurde gegen ein Lederleibchen getauscht. Meine Ledermaske umschmeichelt das Gesicht - weich, eng anliegend, Augen und Mund aber frei. Gierig saugt mein Hirn den angenehmen Duft des Leders durch die freie Nase ein. Ich harre aus - das was mich erwartet - jahrelang ersehnt - jetzt ist die Stunde gekommen, alles Wirklichkeit werden zu lassen.

Ich höre in mich hinein - habe ich Angst, bin ich aufgeregt - keines von allem. Ich bin vollkommen gelassen - voll der Zuversicht, wenn ich einen großen Wunsch zu Lebzeiten haben darf - dann der, so dem Tod entgegentreten zu können. Was sein wird, weiß ich nicht genau - aber es wird sicher nicht unangenehm. Zu vieles habe ich mir ausgemalt - letztendlich alles wieder verworfen, man kann es nur erleben und das tatsächliche Erleben kann die Phantasie nicht übertreffen. Substanziell zumindest nicht, aber wohl sich zu einem Amalgam mit der Wirklichkeit vermengen und so neue Qualitäten des Seins und des Geiste hervorbringen.

Wie weit entfernt - leise durch meinen Gedankennebeln höre ich sie kommen. Atemberaubend der Anblick als sie in mein Blickfeld kommt. Eine schwarze Gestalt - funkelnde schwarze Augen - der Antlitz der Spinne. Die Dunkelheit einer Augenbinde umfängt mich, der eben erheischte Anblick brennt sich mir ins Gehirn, sinkt immer tiefer ein, erreicht tiefste Regionen meines wirklichen Ich's und löst zu selten erfüllte Gefühle in mir aus. Ihre Fäden umschlingen Arme und Beine, mein ganzer Körper verstrickt alsbald im Netz. Finger und Zehenspitzen markieren die Umrisse des kunstvollen straffen Gespinstes. Zärtliche Hände umstreicheln mich. Ich versuche mich zu rekeln aber es geht nicht mehr. Nichts tut weh - alles in weichem Garn verstrickt aber dennoch unüberwindlich.

Schön langsam löst sich mein Geist vom Sein, schwebt davon, ferne all die Alltagssorgen - meine Probleme. Ich denke so ist Meditation oder was ich glaube wie Meditation sich "anfühlen" müßte. Das erste mal habe ich Zeit in meinem Leben - nachzudenken mich hinzugeben - und alles geschieht nur für mich! Gedanken die mir bisher als nüchterner Wissenschaftler nie gekommen sind, fangen an Plätze in meinem Bewußtsein zu erobern. Heute, gut 3 Jahre danach schreibe ich es auf - ich bin dankbar dafür, das mir diese Gedanken im Bewußtsein geblieben sind.

-- All that we see or seem is a dream within a dream. Edgar Allan Poe.

Ende


© by Siegfried 3.96