Gedanken

Erstmals begegnete ich ihr als Betreuerin bei den Elektrotherapien. Groß, schlank hochgesteckte lange Haare, Typ junge lustige Familienmutti. Durch den Spruch : "Ich habe schon Mitleid - manchmal" fiel sie mir auf.

So etwas macht hellhörig. Hat man Zeit und Muße, versuchen meine Gedanken, die Leute zuzuordnen. Kann es sein, sie gehört unserem Lager an ? Kann ich sie mir vorstellen, als meine Lustsklavin oder hat sie eher Topqualitäten ? Viele Leute kann ich so einteilen. Es ist nicht unbedingt fest verdrahtet, daß ich jemanden nett finde und aus einem inneren Zwang heraus einschlägig denke. Dennoch, hin und wieder kommt es vor, daß ich jemanden zuschreibe, durchaus über normalen Sex gehende Gelüste zu haben. Ich weiß, in der Realität würde man da sicher oft enttäuscht. Wir sehen doch so "auffällig unauffällig" aus. Andererseits, strahlt man vieles auch aus. Sind wir nicht aufgeschlossener? Geben wir uns nicht offener, ein Nebeneffekt durch mehr Selbstsicherheit? Wir kennen manchen Abgrund der uns erschaudern läßt, aber vielfach können wir damit umgehen, zumindest sicher besser als so mancher unbedarfter Zeitgenosse, der so am Rande einiges aufgeschnappt hat. Schlimmer noch ergeht es oft denen, die selbst solche Züge an sich wissen, aber sie sich nie und nimmer zugestanden. Sind wir, weil wir einen Teil unserer "schwarzen" Gedanken lustvoll ausleben, und sei es auch nur in Gedanken, von heitererem Gemüt ? Jedenfalls aber wird man aufmerksamer vermeintlichen Schlüsselworten gegenüber und hofft ein klares Codewort auszusieben.

Montag, eine personelle Umstellung bei den Theraphiebetreuern, kündet der neue Wochenplan. Ein neuer Name unter "Gewichte UE" so eine Art Bodenturnen, fällt mir auf. Wird sie besser, d.h. nachlässiger sein, als ihre Vorgänger oder schlechter weil konsequenter, fordernder ?

Da ist es wieder, das alte Problem. Man weiß im vorhinein einfach nicht, ob der nächste Partner den Vorangegangenen übertrifft oder unterbieten wird. Können die Stärken die Schwächen kompensieren? Doch so wie es kommt, oftmals könnte man es nicht wirklich ändern. Das beste daraus machen heißt es dann. Steckt in uns nicht auch vieles, was erst allmählich für den anderen sichtbar wird, braucht es nicht auch Zeit, bis aus einem grauen unscheinbaren Samenkorn eine wundervolle Blume wird. Qualitäten gegeneinander abwiegen ist das nicht oft so, wie "Apfel mit Birnen vergleichen" ?

Der Effekt der ersten Übungen läßt es ahnen: Es wird hart. Bei der ersten Übung, wo eine volle Beinbelastung vorausgesetzt wird, versuche ich dann doch die oftmals vorhandenen Informationsdifferenzen zu nutzen und sage brav auf die Frage, wieviel ich belasten darf "10 kg". Nur es hilft nicht wirklich was, denn die Übungen kann man natürlich halt dann nur mit einem Bein durchführen. Nach einigen Dehnungs- und Bewegungsübungen jammern doch alle mehr oder weniger. Schon alleine die Vorgabe der Anzahl der Wiederholungen läßt die Vermutung aufkommen, schlecht zu hören oder an einen Witz zu denken. Es wird immer mehr zur Gewißheit, das es schlimm wird, denn es ist kein Witz und wir haben richtig verstanden. Wir versuchen einmal anzutesten ,,ob wir auch, wie immer an den Freitagen davor Kegelspielen gehen?". Nächster Reinfall: "Was soll das bringen ?"und zu allem Überfluß: "Das heute ist nur ein Anfang, wir steigern uns dann bis Freitag" . Es ist Gewißheit.

Eigentlich wollte ich ja keine Geschichte über eine SM Turnstunde schreiben. Es wäre zu naheliegend, zu klischeehaft: Sie als Top, unerbittlich hilft sie mit der Gerte weiter, da wo es an Kraft fehlt, die echten Grenzen auslotend. Zu einem Punkt gebracht zu werden, wo man bei der Gradwanderung zum Gipfel, den schmalen Pfad im freien Fall vorher beendet oder man plötzlich oben angekommen zurückblickt und zunächst selbst erstaunt ist, wenn man Rückschau hält. Die Schönheit solcher Augenblicke ist es, die manch einen süchtig macht. Manchmal mag es auch erschrecken, andere Bergspitzen zu sehen, manche weit entfernt, schemenhaft sich abzeichnend, vor allem aber solche die ungewiß im Nebel verschwinden. Es ist auch nicht die Höhe eines Berges, die ihn definieren könnte, zu verschieden sind die Schwierigkeitsgrade, die er bietet. Manche offenbaren sich erst bei sehr genauem Hinsehen. Andere aber stellen sich uns auch ohne es vorher erkannt zu haben plötzlich als unüberwindliche Schwierigkeit in den Weg, die zum Umkehren zwingt. "Erwarte das Unerwartete". Manche Probleme zeigen einem dann die Grenzen auf. An einigen wird man schwören, sich wieder zu versuchen, dann aber besser gewappnet zu sein. Manche werden vielleicht nie genommen. Um bei der Gleichmut chinesischer Sprichwörter zu bleiben: Aber auch das ist nicht wirklich wichtig.

Unerbittlich ist sie bei der Fortführung der Übungen. Wenn die anderen es auch nicht mitbekommen: Sie ist sehr wohl hellhörig und aufmerksam, vor allem aber hat sie einen feinen Humor, den aber offenbar nur ich mitbekomme. Ich stelle mir die Frage, könnte sie eine von uns sein ? Ich beiße die Zähne zusammen. Auf einen vieles sagenden Blick eines Leidensgenossen hin sage ich, leise aber doch für sie hörbar: "Nur nicht zeigen, daß es weh tut - damit bringt man sie um die Befriedigung.".

Das sitzt, zumindest bei einigen meiner Nachbarn. Ich bin wahrscheinlich wieder mal zu eindeutig gewesen. Oft denk ich, würde ich mir wohl ziemlich viele "gelbe Punkte" wenn nicht gleich "Bananen" einfangen. Andererseits, ist es nicht oft so, daß Vanillas es sowieso oftmals nicht mitbekommen. Werden sie einer Szene ansichtig, die für uns offensichtlich ist, da reicht schon ein Kettenhalsband mit Scheckel und im Mantel vergrabene Hände, zu wissen, das was andere erst erkennen wenn sie Handschellen unter dem Umhang hervorblitzen sehen, um es dann doch nicht glauben zu können. Oder wie ist das beim Einkaufen von Blumengestecken im Reitsporthandel ? Sind Reitstiefel, getragen zu einer schwarzen Lederhose wirklich nicht so eindeutig ? Da hilft nur Flucht nach vorne: "Ich würde doch kein Pferd schlagen" wenn vermeintlich Gleichinteressierte sich nach seinem Sportgerät erkundigen. Meist erntet man verlegene Gesichter, ist man zu zweit wird wohl die brennende Frage ihr Hirn martern, wer wohl in den Genuß kommt. Eine Frage, die freilich auch nicht wirklich wichtig ist. Aber gut, sie sei einem Außenstehenden verziehen.

Und immer wieder versuchen Mitleidende beim Zählen zu mogeln oder bei der Festsetzung zu kleineren, fast schon unglaubwürdigen Größen zu greifen. Einmal, bei der Vorgängerin mußte ich mal ein paar Übungen mitzählen. Und wieder hätte ich mir was Gelbes verdient als ich nach vollbrachtem Zählerstand bemerkte: "Ich hasse das Mitzählen-müssen, das hat so etwas Erniedrigendes an sich." Prompt fielen einige drauf rein, denn ich mußte dann wohl weiter ausführen: "Andererseits hilft es aber auch, man sieht auf diese Weise ziemlich gut, wie es dem Partner geht, spätestens so um die 30 verzählt man sich dann meist.....". Noch immer fragende Gesichter animieren mich geradezu zur Aufklärung: "....wenn man auf jemanden draufhaut". Echt ! - Diese Vanillas, was die alles wissen wollen: "Na z.B. mit einer Reitgerte auf den Hintern, oder wo man halt hinschlagen darf, ohne daß es gefährlich wäre, jedenfalls muß man sich da schon auskennen". Wahrscheinlich nützt das nach diesen Ausführungen nicht wirklich, als ich nach vollbrachter nächster Übung meine: "Aber ich würde natürlich ja sowas nie tun!" Oder ist es mein Grinsen ?

Das Zählen, ich denke es hilft schon mitunter, zumindest hab ich´s einmal miterlebt. Für mein Gefühl hat es einen ziemlich hohen D/S Anteil. Schon alleine der Response des Bottoms ist ja auch, der uns zeigt, wir sind am richtigen Weg. Das ist es auch was ein Top unmittelbar empfängt, gleich einer Demonia, die Kraft aus Lust und Unterwerfung gewinnt und gierig dessen Duft einfängt. Ist es nicht eine Aura die uns umgibt ? Für "Ungläubige" nicht sichtbar. Einzig und alleine nur für Diejenigen sichtbar, die für solcherart Signale empfänglich sind. Was ist so schön an einem Körper, der sich lustvoll in Fesseln windet, jede Zuwendung quittiert, das langsame Einsinken der Empfindungen, die Haßliebe zwischen Lust und Schmerz ? Sicherlich, für die meisten so am Papier nicht wirklich nachvollziehbar, der Geist muß da schon gehörig mithelfen. Dennoch, vielen unserer Mitmenschen würde es gelingen, solches erfühlen zu können, würden sie es schaffen, ihren Geist von nutzlosen eingefahrenen Verhaltensregeln zu befreien, sich einfach ihrer Natur fügen, sich hingeben zu können, ohne Angst. Für Festgefahrenes, Verkrampftes und Verbissenes ist im Reich der Sinne kein Platz. Du mußt bereit sein, mehr von Dir selbst kennenlernen zu wollen und keine Scheue vor Deinen Abgründen zu haben, von denen doch manche, einmal besser ausgeleuchtet, sich als nicht so schauderhaft erweisen. In vielen Situationen wirst Du dir nackt vorkommen, schutzlos liegt Deine Seele offen. Deshalb wirst du nur den Weg gehen mit einem Menschen, den du wirklich vertrauen kannst. Freilich, sich an einen solchen Weg zu versuchen ist ein großer Schritt, aber glaub mir, er ist nicht so steinig und düster wie manch einer glaubt. Aber eine eindringliche Warnung sollte man doch aussprechen: Einen solchen Weg zu wagen wird dich verändern, nachhaltig. Nach einer größeren Wegstrecke wird es dir kaum mehr gelingen, alte, von tiefen Furchen vorgezeichnete Wege bis an ihr Ende zu folgen. Bei diesem Weg wirst Du nie an ein Ende kommen, aber dennoch Ruhe und Gelassenheit finden und vieles mit neuen Augen sehen. Vielleicht wird dir das häufig benutzte Wort "mein" aufstoßen. "Mein Partner, mein Mann, meine Frau", nein, der gehört sicher nicht mir. Kein Mensch gehört jemanden. All solche Dinge werden dir auffallen. Du wirst ahnen, was Gewalt wirklich bedeuten kann und in Zorn darüber geraten, wenn du die Schlagzeilen der unzähligen Familiendramen siehst. Wie wenn das nicht alles schon schlimm genug wäre, wird dann einer, der seine Frau schlägt oder ein Kinderschänder als "Sadist" bezeichnet. Das sind die schlimmen Seiten, die auf dich zukommen werden. Darum überlege gut, mit wem Du diesen Weg gehen willst und ob Du uns wirklich folgen willst. Und denke bitte immer daran: "Der Weg ist das Ziel".

Ihr feurigen Blick schweift in die Runde. Verzerrte Gesichter erntet er. "Genießen sie ......!"Nein !!!! das halt ich nicht aus, ich liege flach und lache ".....den Schmerz". "Das kann man nicht genießen", merke ich an, so ernst es mir gelingt. "Spannen sie den Fuß, wenn es zu sehr weh tut, ..... spannen sie den Fuß." Hilfe !!!! Safeword .....ich bin nahe daran einen Lachkrampf zu bekommen. Sie hat sicher den Zwischenruf meines aufmüpfigen Nachbarn erwartet, der auch prompt den Fehler begeht, ihr darauf hereinzufallen, indem er Kritik anzubringen versucht, daß da was nicht stimmen kann "...wie ?? Das ist ja dasselbe". Die Antwort bekommen wir postwendend zu fühlen. Ich hasse Gruppentherapien, wenn es auf eine Kollektivschuld hinausläuft. *grins*

Ich kann mich da an eine Spielszene erinnern, ".......und außerdem trägt Gaby gerne Lackleder". "...wieso, die hat doch keine LL an?" antworte ich, obwohl ich bereits zu ahnen beginne was da kommt falls ich den Mund aufmache. Prompt: "20" vernehmen meine Ohren. In Wirklichkeit brauchst man sich aber auch nicht sonderlich anzustrengen, das Maß voll zu machen. Du hast oft das Gefühl, der aktive Part komme zu kurz ? Warte nur ab, wenn du mal mit einem von uns spielst. Du brauchst dir keine Sorgen machen, wir kommen nicht zu kurz. Das sagen wir auch nicht nur so, falls zugelassen, kannst du es uns ansehen, jedenfalls aber wirst du es fühlen. Im Gegenzug dazu darfst du es uns auch ruhig zeigen, wie gut es dir gefällt. Du brauchst auch nicht zu übertreiben, vergiß es gleich wieder, so gut wie "echt" wirst du es nicht hinbekommen.

Auf die Seite legen. "Es drücken die Nägel die herausstehen" "Dann nehmen sie einen Polster mit oder eine zweite Matte. Übrigens Sie dürfen ruhig Gewichtsmanschetten verwenden". Und jetzt Fuß abheben, und strecken. "Halten" nach langen 30 Sekunden "und nach oben strecken und unten, 30 mal heute ...... es darf ruhig ziehen". "Den Fuß oben halten, jetzt Oberschenkel bleibt, Fuß abknicken. 30 mal." Ihr Gesichtsausdruck spricht Bände, wenn man darin zu lesen versteht. "Und Fuß oben halten" ich glaub ich höre nicht recht "und gestrecktes Bein nach oben in zwei Phasen eins, zwei und hinunter und eins zwei, nur noch 30 mal" Irgendwo bei 10 bis 15 mal ist der Punkt erreicht - mein Punkt. Sie hat gewonnen, ich muß für ein paar mal den Fuß ablegen, um nochmals einzusteigen, aber nach ein paar mal kann ich schon wieder nicht mehr weiter. "Sie haben gewonnen!". "Gewinnen ist nicht immer so wichtig", tröste ich mich. Kurzes "Päuschen". Nächste Übung, ich blicke mal zu ihr, auch sie scheint in ihm lesen zu können und vergräbt lachend ihr Gesicht in der Matte.

Auch ein Top kann nicht hellsehen, und immer genau Deinen Punkt kennen. Sollte da irgend etwas sein, dann sollte das vorher besprochen werden. Auf Unvorhergesehenes zu stoßen ist nicht immer ganz lustig. Es ist nicht leicht, der Balanceakt zwischen dem gerade JAein und NEIN. Es gibt keine Skala an die man sich halten könnte, die Grenzen werden jedesmal neu abgesteckt.

Das ichs nicht vergesse: Die "Nachwirkungen" dieser Turnstunde sind so gut wie nicht vorhanden, obwohl es phasenweise ganz schön fordernd war. Bei den Vorangegangenen wirkten sie noch stundenlange nach. Beim Hinausgehen meinte eine: "Die steigt auf unseren Schmäh nicht ein."

"Oh doch" kann ich nur sagen.

Ende


© Siegfried (9.96)