Blind Date - Blindflug

Durch den Segen der elektronischen Kommunikation lernte ich vor einiger Zeit zwei Frauen kennen. Schon seltsam, hätte früher halt so eine Art Brieffreundschaft sein können. Nur mit dem Unterschied, jetzt kann man eine breite Masse direkt mit seinen Vorstellungen und Gelüsten konfrontieren. Es ist zwar relativ anonym, die Anderen werden zwar wissen, von welcher Firma/Uni du schreibst, - könnten auch wenn wirklich daran gelegen Deine Adresse und Telefonnummer herrauskriegen, aber ich bin einer von vielen - versteckt in der heute schon unbewältigbaren Masse. Ein gewisser Nervenkitzel, aber eigentlich kann ich ja nur gewinnen. Gewinnen ? - ja, wenn sich die Richtigen finden. Leute, die mit mir fühlen, solche, wo man das Gefühl nicht los wird, sie haben bereits einen Platz in einem, ohne noch groß reden und erklären zu müssen. Das komplizierte wird einfach, es ist eine Seelenverwandtschaft.
Nach großer Vorfreude treffen wir uns tatsächlich - sehen uns von Angesicht zu Angesicht, und Klangfarbe und Aussprache ergänzen die Lücke des geschriebenen.

Jetzt, wo das alles schon Vergangenheit geworden ist, wohlgeordnet meinen eigene Erinnerung zugeordnet, unter der Rubrik Schätze, fasse ich den Mut, dem Erlebten neue Formen zu geben. Wieso neue Formen ? - ich glaube nicht, das man solches wahrheitsgemäß, mit den ganzen Gefühlen niederschrieben kann, oder sollte.

Jetzt stehen sie leibhaftig vor mir. Zögerlich, ich kenne sie ja kaum, und doch, alles was ich von ihnen gelesen habe, was ich jetzt so aus den Gesprächen fassen kann, formt in mir ein gutes Gefühl. Es ist wirklich schwer, zuviel hinterfragt man die Richtigkeit der Gefühle. Ahnend, hoffend, wissend ? - vielleicht tobt der Kampf auch bei Ihnen - gerade jetzt ! "Der Wille ist meine Sichel, und sie wartendes reifes Getreide" dringt aus mir in mein Bewußtsein, wage ich den Schritt, wohl wissend, das hier nicht zählt, wer den ersten tut, sondern daß wir alle drei bereit sind in gleichzeitig zu vollziehen.

Eine kurze selbstsicher klingende Einladung an beide folgt. Der Blickkontakt beider, entflammt mich vollends. Ich höre heraus : das, was sich schon seit dem ersten Treffen tief in mir lautmäßig verwurzelt hat: "Mach ich doch glatt". Die Sache ist gewonnen, denke ich, aber das war erste der Anfang, eine Aufregung über das Ungewisse macht sich breit. Kurz trennen sich die Wege, umziehen und Spielsachen einsammeln ist angesagt.

Gemeinsam erklimmen wir den Dachboden, Haken in den vielen Querbalken sind ja schon vorsorglich eingeschraubt. Noch ist nicht sicher, wer sich gehen lassen darf, oder doch ?

© durch Siegfried 8/95